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Thermische Bauteilaktivierung

Duschl Ingenieure – Vortragsreihe – Nachbericht

Thermische Bauteilaktivierung: Theorie und Praxis

Referenten:
Prof. Dr. Silke Stanzel (Hochschule Rosenheim)
Dipl.-Ing. Manfred Eschbaumer (Duschl Ingenieure)


Foto v.l.n.r Andreas Duschl, Silke Stanzel, Gerhard Duschl, Manfred Eschbaumer

Den ersten Teil des Vortrags gestaltete Frau Prof. Dr. Silke Stanzel von der Hochschule Rosenheim. Zu Beginn gab sie eine kurze Einführung zur Geschichte und zum Prinzip der thermischen Bauteilaktivierung. Schon in der Antike wurden Häuser mit Hilfe von heißer Luft, die durch Kanäle in Böden und Wänden strömte, beheizt. Heute wird statt Luft Wasser, das durch Rohre in Decken, Böden und Wänden fließt, als Wärmeträgermedium verwendet. Dadurch werden diese Bauteile zum Heizen und Kühlen von Gebäuden benutzt. Ein Spezialfall der thermischen Bauteilaktivierung ist die Betonkerntemperierung bzw. Betonkernaktivierung. Hier befinden sich die Rohre nicht auf der Oberfläche, sondern im Kern der aktivierten Struktur. Nach dieser Einführung referierte Frau Prof. Dr. Stanzel über die thermodynamischen Grundlagen des Wärmetransports und über die einzelnen Transportmechanismen Wärmeleitung, Konvektion und Wärmestrahlung. Anhand von Grundgleichungen leitete die Referentin Eigenschaften der Betonkernaktivierung in Bezug auf die Wärmeübertagung in den Raum und auf das zeitliche Verhalten des Wärmetransports ab. Die Betonkernaktivierung benötigt aufgrund der großen Wärmeübertragungsflächen geringe Temperaturunterschiede von Übertragungsoberfläche und Raum. Der Wärmetransport erfolgt durch freie Konvektion und Wärmestrahlung, wobei diese den deutlich größeren Anteil besitzt. In diesem Zusammenhang wies Frau Prof. Dr. Stanzel darauf hin, dass Abschirmungen und Zwischenböden in Gebäuden mit Betonkernaktivierung zu vermeiden sind, da diese den Wärmeaustausch behindern. Weitere Eigenschaften von Beton sind ein relativ geringer Wärmeleitungswiderstand, was für den Transport der Wärme an die Oberfläche der Struktur wichtig ist, aber auch ein auf das Volumen bezogen großes Wärmespeichervermögen. Dies führt dazu, dass der Wärmetransport bei der Betonkernaktivierung bei typischen Be- und Entladezeiten von ca. 12h immer instationär ist und das Gesamtsystem folglich träge ist. Zusammenfassend erörterte Frau Prof. Dr. Stanzel Vor- und Nachteile der Betonkernaktivierung, die aus den vorher beschriebenen Eigenschaften resultieren. Durch das große Speichervermögen wird eine zeitversetzte Be- und Entladung möglich. Außerdem ist die Betonkernaktivierung gut für die Nutzung von Niedertemperaturwärme und Hochtemperaturkälte geeignet. Nachteilig ist allerdings die langsame Reaktion auf Lastveränderungen.

Als nächstes Thema wurden Aspekte der Modellbildung und Simulation der Betonkernaktivierung erörtert. Aufgrund des instationären Wärmetransports und der zahlreichen inneren und äußeren Einflüsse auf das System ist eine komplette Simulation äußert komplex und aufwändig. Auch vereinfachte Modelle, die Einflüsse von z.B. Nachbarräumen und Einbauten vernachlässigen, gestalten sich sehr schwierig, da diese durch Messdaten kalibriert werden müssen, was wiederum einen großen Aufwand bedeutet. Aus diesem Grund empfahl Frau Prof. Dr. Stanzel die Inbetriebnahme von Gebäuden mit Betonkernaktivierung durch ein Monitoring zu begleiten, da dies sinnvoller ist, als umfangreiche Simulationen durchzuführen.

Der zweite Teil des Vortrags wurde von Herrn Dipl. Ing. Manfred Eschbaumer von Duschl Ingenieure begonnen. Er präsentierte verschiedene Projektbeispiele, die von Duschl Ingenieure umgesetzt wurden und bei denen die Betonkernaktivierung eingesetzt wird. Unter anderem wurde das Konzept der John Cranko Schule in Stuttgart, des Werner Heisenberg Gymnasiums in Garching und des Haus B der Schön Kliniken in Prien vorgestellt. Herr Dipl. Ing. Manfred Eschbaumer betonte, dass es bei der Planung der Betonkernaktivierung entscheidend ist, dass das Gesamtpaket von Wärme- und Kältebereitstellung, Gebäudephysik, Nutzung und Regelung aufeinander abgestimmt ist. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit ist es z.B. nur sinnvoll, wenn die Betonkernaktivierung zum Heizen und Kühlen eingesetzt wird. Außerdem ist es wesentlich, dass die Größe der aktivierten Fläche zum Gebäude passt und auch die Nutzung berücksichtigt wird. Generell sollte eine Betonkernaktivierung in Verbindung mit einer RLT-Anlage realisiert werden und die Regelung der Vorlauftemperatur außentemperaturabhängig erfolgen. Ferner wurde auf einige kritische Aspekte bei der Nutzung der Betonkernaktivierung hingewiesen. Inhomogene Lastverteilungen im Gebäude, häufige Umnutzung, hohe Kühllasten durch große Fensterflächen, Doppelböden und Abhangdecken, ein Raumklima mit engem Toleranzbereich aber auch Vermietung sind problematisch, da die Verbräuche den einzelnen Parteien nicht zugeordnet werden können.

Zum Abschluss seines Vortrags ging Herr Eschbaumer genauer auf die Umsetzung der Betonkernaktivierung im „Haus mit Teich“ dem Bürogebäude von Duschl Ingenieure ein und erörterte Größen mit denen die Regelung der Betonkernaktivierung im Automatikbetrieb korrigiert werden kann, wie z.B. Taupunkttemperatur, Raumtemperatur oder Kerntemperatur. Anschließend präsentierte Frau Prof. Dr. Stanzel Ergebnisse einer Messdatenerfassung, die sie im Sommer 2015 im Rahmen einer Hospitation bei Duschl Ingenieure durchgeführt hatte. Die Messungen wurden während der Inbetriebnahme eines neuen Grundwasserbrunnens für die Kältebereitstellung, der zu diesem Zeitpunkt noch ungeregelt war, durchgeführt. Es wurde ersichtlich, dass die Raumtemperatur durch die Betonkerntemperierung auch trotz sehr heißer Tage relativ konstant gehalten werden konnte. Effekte, die auf die Nutzung des Gebäudes zurückzuführen sind, wie ein Temperaturanstieg im Verlauf der Arbeitswoche und ein Absinken am Wochenende aber auch eine phasenversetzte Reaktion auf Lastveränderungen waren erkennbar. Außerdem zeigten sich die Auswirkungen höherer äußerer Lasten auf das Temperaturprofil der Büroräume.

Der nächste Teil des Vortrags befasste sich mit Optimierungsmöglichkeiten der Betonkernaktivierung im Bereich Behaglichkeit, Energieeffizienz und Kosten. Um das Raumklima angenehmer zu machen, sollten die operative Raumtemperatur und die Luftfeuchte berücksichtigt werden, aber auch auf eine symmetrische Strahlungstemperatur zwischen Decken und Boden geachtet werden. Im Bereich Energieeffizienz und Kosteneinsparung bei der Anwendung der Betonkernaktivierung besitzt die Verbesserung der Regelung das größte Optimierungspotential. Durch die Ausnutzung der Speicherfähigkeit der aktivierten Bauteile besteht mit Hilfe eines Intervallbetriebs und einer Beladung nachts die Möglichkeit Energie günstiger zu beziehen. In diesem Zusammenhang und unter der Berücksichtigung der Trägheit des Systems stellt sich laut Prof. Dr. Stanzel, die Frage ob eine Steuerung der Betonkernaktivierung sinnvoller ist, als eine Regelung. Diesem Thema widmete sich der letzte Abschnitt des Vortrags. Die Referentin stellte zwei verschiedene Steuerungskonzepte vor. Im ersten Konzept wird anhand einer Steuerung zwischen Heiz- und Kühlfall unterschieden, wobei hier die Berücksichtigung eines Totbands wichtig ist und die Vorlauftemperatur anhand der Außentemperatur geregelt wird. Dieses Vorgehen bringt relativ gute Ergebnisse, die Übergangszeit ist hier allerdings problematisch, da die Bestimmung von Heiz- und Kühlfall schwierig ist und das System auf die sehr unterschiedlichen Anforderungen, aufgrund der stark schwankenden Außentemperaturen nur sehr träge reagiert. Im zweiten Konzept wird die Wetterprognose über einen Mittelwert der Außentemperatur und die Vorhersage der Globalstrahlung berücksichtigt. Mit Hilfe dieser Werte wird der Temperaturunterschied zwischen Vorlauf und Rücklauf berechnet. Laut einer Studie mit bekannten Wetterdaten bringt dieses Vorgehen ebenfalls gute Ergebnisse. Da die Wetterprognose sehr schwierig ist, kann es aber sein, dass keine Verbesserungen erzielt werden. Zusammenfassend bemerkte Frau Prof. Dr. Stanzel, dass bzgl. der Regelung der Betonkernaktivierung noch Forschungsbedarf besteht.

Zum Ende des Vortrags gab sie noch einige Empfehlungen zur Nutzung der Betonkernaktivierung. Eine sorgfältige Planung mit einer Segmentierung nach Norden und Süden, ein begleitendes Monitoring bei der Inbetriebnahme, unterstützende RLT-Anlagen und eine Information des Betreibers über Möglichkeiten und Folgen einer Einwirkung sind sehr wichtig um gute Ergebnisse zu erzielen.